Los lassen
Ich weiß, man kann es schon gar nicht mehr hören! Alles soll man loslassen. Und was man nicht alles loslassen soll: Kinder, Eltern, Geschwister, Wünsche, Vorstellungen, Situationen, Dinge, Freundschaften, Beziehungen und natürlich Probleme. Mindestens ein Magazin findest du immer, dass darüber schreibt. Es ist anscheinend die Antwort auf alle Probleme. Wenn das so ist, wieso haben die Leute dann immer noch einen Haufen davon? Ich denke, die meisten Menschen reden zwar darüber, wissen aber gar nicht, wie das eigentlich geht.
Ja, wie geht denn verdammt noch mal dieses Loslassen? Wird denn darüber auch geschrieben, wie das genau geht? Also, mit Langzeitwirkung, meine ich?! Erst mal musst du dir im Klaren sein, warum du eine bestimmte Sache loslassen möchtest oder gar musst. Wahrscheinlich trägst du das Thema schon länger mit dir rum und du weißt auch schon, dass die Gedanken dazu, dir nicht gut tun. Vielleicht drehst du dich im Kreis und die Antwort ist immer dieselbe:
„Let it go….“
Doch warum fällt es so schwer, etwas gehen zu lassen, wenn du schon weißt, dass es dir nicht mehr gut tut und ausgedient hat? Warum haltest du trotzdem daran noch fest? Hat es dir in der Vergangenheit Sicherheit gegeben? Dann hast du mittlerweile bestimmt festgestellt, dass dir NICHTS Sicherheit geben kann! Je nach Sichtweise ist das beängstigend oder befreiend. Es war also nur eine vermeintliche Sicherheit. Du kannst dich an NICHTS festhalten, weil nichts Bestand hat! Nichts bleibt, wie es ist, alles verändert sich ständig. Das Leben ist ein einziger Wandel.
Früher fiel es mir schwer, Menschen loszulassen, die in mein Leben kamen und aus bestimmten Gründen wieder gingen. Sie hatten ihre Aufgabe in meinem Leben erfüllt und ich in ihrem wohl auch – das war offensichtlich und spürbar, doch wehtat es trotzdem. Und es war auch wichtig, die ganze Trauer zu fühlen – richtig auszufühlen, wie ich gerne sage, bis es gut war. Ich kann das wirklich jedem nur ans Herz legen, sich seinen Gefühlen komplett zu stellen und sie nicht wegzuschieben!
Es gibt einen wundervollen Satz, den ich gerne zitiere und der auch in meiner Praxis auf dem WC hängt, weil die Leute dort ein wenig Zeit haben zu lesen und er wirklich fast jedem ins Auge fällt:
LOSLASSEN, HEISST EINEM ANDEREN SEIN LOS LASSEN! (Ingrid Weißl)
Damit ist alles gesagt. Und egal, um welches LOS es sich dabei handelt, es ist immer das Los des Anderen und das kannst du nie kennen! Es geht dich nicht mal was an. Dieser einfache Satz bringt so viel Klarheit und ist die Antwort darauf, wie man lernt loszulassen. Das heißt im Wort selbst steckt die Lösung!! Ist das nicht großartig?! Warum und weshalb die Dinge im Leben passieren, wie sie passieren – wir wissen nie um das Los des Einzelnen. Das gilt natürlich für alle und alles! Es ist eine enorme Befreiung, das Leben aus dieser Perspektive zu sehen und zu leben. Willst du die Menschen immer noch anders haben als sie sind? Gib ihnen ihr Los zurück und lass das Leben geschehen.
Natürlich kann man trotzdem noch Vorstellungen haben, wie man sich Situationen/Dinge wünscht, doch das ist mehr ein Hineinentspannen. Denn was auch immer dabei herauskommen mag, es ist richtig.
Einen Menschen los zu lassen, ob ins Leben oder in den Tod, macht keinen Unterschied. Der Schmerz darüber mag unterschiedlich groß und tief sein, doch es ist die gleiche Trauer. Auch hier ist es das Los des Anderen.
Wenn es um gewisse Dinge im Leben geht, von denen wir uns schwer trennen können, weil viele Geschichten und Erinnerung darin stecken, ist das natürlich verständlich, doch hat es uns zu keinem Zeitpunkt in unserem Leben, je gehört. Nichts gehört uns hier! Alles nur geliehen. Wie dieser Körper auch. Weder Dinge noch Menschen gehören uns. Wir kommen mit Nichts und gehen mit Nichts. Das vergessen wir leider immer wieder! Wir identifizieren uns mit all dem hier und so entsteht Leid.
Wenn wir von ganzen Herzen loslassen und nichts mehr festhalten, dann geben wir uns dem Leben hin. Das heißt, wir lassen geschehen und alles kann sich weiterentwickeln, wie es sich weiterentwickeln soll. Das Leben lebt sich selbst und weiß es immer besser als wir. Und was bleibt, wenn du komplett losgelassen hast? Sein. Das, was du ohne deine Identifikation und ohne deine Geschichte bist. Alles und Nichts. Es ist das Einzige, was sich nie ändert, was du immer schon warst und sein wirst, wenn du die Person loslässt, die du glaubst zu sein.
WHEN I LET GO OF WHAT I AM, I BECOME WHAT A MIGHT BE. (Lao Tzu)
Trotzdem schreibt das Leben ganz wundervolle Geschichten – auch zu diesem Thema. Eine, möchte ich gerne mit euch teilen – aus der Welt der Musik:
1968 war ein sehr unruhiges Jahr für die Beatles und die Band stand kurz vor dem Aus. Da erschien Paul McCartneys verstorbene Mutter ihm im Traum, die er im Alter von 14 Jahren verloren hatte. Er sah ihr Gesicht genau vor sich und sie sagte zu ihm: „It´s gonna be okay, just let it be…“ Am nächsten Tag erwachte er mit einem großartigen Gefühl. Er setzte sich ans Klavier und schrieb einen neuen Song, der ein Abschiedsgruß der wohl wichtigsten Band der Musikgeschichte wurde…..“Let It Be“.
Bis heute unvergessen: