authentisch???
Authentizität. Was für ein Wort! Hätte man für so ein bedeutungsvolles Wort sich nicht ein einfacheres ausdenken können? Mittlerweile spreche ich so oft darüber, dass ich es fließend aus mir herausbringe. Doch es gab Zeiten, da brauchte ich 3 Anläufe, bis es saß. ; )
Laut Wikipedia stammt das Wort Authentizität aus dem griechischen authentikós und bedeutet „echt“ oder Echtheit im Sinne von „als Original befunden“.
Inspiriert darüber zu schreiben, wurde ich, als ich vor Kurzem auf einem Event war und einige Leute dort traf, die ich kannte. Die Freude war groß, besonders bei denen, die ich dort „zufällig“ traf und sich unsere Wege schon lange nicht mehr kreuzten. Bei einigen war sofort ein sogenannter „Flow“ da. Man stand sich gegenüber und jeder zeigte sich so, wie er da war. Man hörte einander ehrlich zu und sprach vom Herzen aus. Doch dann gab es auch welche, die sich entweder nicht wirklich zeigten oder nur vom Verstand aus kommunizierten. Ich muss ehrlich zugeben, dass mich das ziemlich schnell langweilt und ich diese Art von Gesprächen nicht lange führen kann. Es ist fast nicht auszuhalten, wenn jemand etwas von sich gibt, das überhaupt nicht mit dem, was er innerlich fühlt oder denkt, übereinstimmt. Ich kann den anderen dann überhaupt nicht spüren und nicht wirklich ernst nehmen. Womit nicht gemeint ist, dass ich keinen Respekt habe. Den habe ich vor jedem! Doch was mir in diesem Fall fehlt, ist die Echtheit dieses Menschen. Keine Spur von Authentizität! Und es hat überhaupt nichts damit zu tun, dass man unterschiedliche Wege geht und verschiedene Interessen hat. Ganz im Gegenteil! Das finde ich sogar sehr spannend und inspirierend. Allerdings nur, wenn es eben ECHT ist.
In dem Beitrag über Freundschaften habe ich kurz erwähnt, dass mein Freundeskreis um einiges (gewollt) geschrumpft ist. Ich habe festgestellt, dass fehlende Authentizität der Hauptgrund war, warum viele Freundschaften auseinandergingen. Es hat mich zwar früher auch schon immer gestört, wenn jemand nicht authentisch war – aber ich habe es dann irgendwie ausgehalten. Heute nicht mehr! Denn gerade eine Freundschaft besteht für mich nur, wenn beide Seiten sich offen und ehrlich zeigen und genauso miteinander kommunizieren. Ist das nicht gegeben, bin ich lieber alleine und das sogar gerne.
Neulich hatte ich eine Bekannte am Telefon, und als ich sie fragte, wie es ihr geht, antwortete sie: „mir gehts sau gut!!“ Und das nicht nur einmal, sondern daraufhin teilte sie es mir mindestens noch 4 x mit. Gefühle konnte ich kaum spüren – nur Worte, die verzweifelt versuchten ein Bild zu präsentieren und aufrecht zu halten. Die Unterhaltung war dementsprechend kurz, weil ich, wie schon gesagt, von leeren und inhaltslosen Gesprächen nichts halte. Das soll nicht heißen, dass ich mich nicht für diese Person freue, wenn es ihr wirklich sau gut geht. Ganz im Gegenteil, wenn dem so ist, dann freut es mich wirklich. Doch ich spürte weder die Person, noch die Echtheit ihrer Worte. Hier sprach niemand aus dem Herzen, sondern nur aus Kopf und deshalb kam es bei mir nicht an.
Einmal hatte ich einen Nachbarn, den mochte kaum jemand im Haus. Er war ein ziemlicher Grantlhuber (so sagt man in Bayern, über jemanden, dem man fast nichts Rechtmachen kann und der über alles schimpft, was man nur schimpfen kann). Dieser Mann war weder sympathisch noch charmant und ist auch nie mein Freund geworden, aber irgendwas mochte ich an ihm. Heute weiß ich, was es war: Es war seine Authentizität! Er war sozusagen ein „echtes Original“. Ich habe seine direkte Art und sein Echtsein, wirklich geschätzt. So konnte ich ihn gut nehmen, wie er nun mal war.
Es war übrigens noch jemand, der mich inspirierte über dieses Thema zu schreiben. Sie begegnete mir bei einem Strandspaziergang auf Ibiza. Von Weitem dachte ich, es wäre eine junge Frau. Doch als wir uns näher kamen, sah ich in ein altes, von der Sonne gezeichnetes, faltiges und gelebtes Gesicht. Ihre weißen Haare hatte sie wild zusammengebunden und sie trug ein in die Jahre gekommenes Hippiekleid. Als sich unsere Blicke trafen, strahlten ihre Augen so sehr und ich konnte keine alte Frau mehr finden. Sie war wunderschön!! Ich war fasziniert von ihrer Präsenz. Sie war total sie selbst und ruhte förmlich in ihrem Sein. Für mich, war sie die Authentischste und Schönste an dem ganzen Strand…
Die Quintessenz ist jedoch, dass jeder Mensch nur so sein kann, wie er zum jetzigen Zeitpunkt eben ist und wo er JETZT im Leben steht. Mehr geht nicht! Auch wenn dir derjenige nicht echt vorkommt – nur so viel ist für ihn (momentan) möglich. Deshalb muss man nicht mit allen Menschen können. Nein, es ist in Ordnung, wenn man nichts miteinander zu tun haben möchte oder Abstand von gewissen Menschen braucht. Doch das Wichtigste ist, dass man nicht im Bewerten bleibt. Am besten wäre es, niemanden zu bewerten und nur zu sehen. Denn es ist natürlich eine Bewertung, wenn ich jemanden als authentisch sehe oder eben nicht. Lasst uns versuchen, die Menschen in keine Schubladen zu stecken und keine Labels überzustülpen, sondern sie einfach nur wahrzunehmen in ihrer Präsenz. Im Grunde haben diese Menschen immer nur Angst davor, sich zu zeigen, wie sie (auch) sind. Oft ist diese Seite so verborgen, dass sie sie selbst gar nicht kennen oder sie versuchen eine Schwäche/Verletzlichkeit zu verstecken, für die sie sich schämen. Vielleicht versuchen wir mehr mit ihnen zu fühlen, weil es für sie jetzt und vielleicht sogar nie möglich ist, sich ganz zu zeigen.
Ist es nicht Wahnsinn, wie schnell Menschen in unseren Schubladen landen? Und ist es nicht wundervoll, wie schnell wir, durch MITGEFÜHL, sie dort wieder rausholen können?!
Vergesst nicht:
Hinter jeder Fassade „Mensch“, ob authentisch oder nicht, liegt unsere wahre Essenz und in dieser sind wir alle gleich und miteinander verbunden!