Worauf warten wir eigentlich?
Gefühlt verbringen wir die Hälfte unseres Lebens in einer Warteposition. Vielleicht ist uns das nicht bewusst, weil wir ständig mit Denken und Tun beschäftigt sind. Wir warten immer auf etwas, das unsere jetzige Situation noch verbessern könnte. Oft ist es nur ein kurzer Moment, in dem alles stimmig und perfekt erscheint. Manchmal halten diese Momente auch ein paar Stunden oder sogar Tage an. Doch kurz darauf schleicht sich wieder ein Gefühl von Unzufriedenheit oder Mangel ein und wir befinden uns erneut in der Warteposition. Dann passt uns unser Leben wieder nicht, so wie es ist. Entweder ist es uns zu voll oder zu leer, zu stressig oder zu ruhig – auf jeden Fall irgendetwas mit „zu”.
Ja, wir Menschen haben alle Herausforderungen, und das nicht wenig. Manchmal fordert uns das Leben so krass heraus, dass wir nicht wissen, ob wir daran zerbrechen werden. Wir schauen auf andere und denken: „Warum findet das eigentlich nur in meinem Leben statt, warum nicht bei den anderen?“ Das ist natürlich nicht so, denn wir sehen vieles nicht bei unseren Mitmenschen, oder sie lassen uns nicht daran teilhaben, weil ihnen der „Schein“ wichtiger ist, wie sie von ihrem Gegenüber gesehen werden möchten.
Leider funktioniert auf diese Weise keine echte Verbindung und schon gar keine Freundschaft.
„Unter jedem Dach ein Ach“, heißt es. All unsere Geschichten sind voller „Achs“ in unterschiedlichen Schweregraden. Manchmal trägt dich das Leben allerdings auch in die Lüfte und überschlägt sich vor Begeisterung. Zum Glück zeigt es sich in vielen unterschiedlichen Facetten.
Doch egal in welcher Situation wir stecken:
„Zu allem, was erscheint, hat das Leben bereits JA gesagt.“
Was macht dieser Satz mit dir?
Spürst du einen inneren Widerstand? „Auf gar keinen Fall habe ich zu dem Mist hier jemals JA gesagt!“
Oder ist da eine leise Stimme in dir, die sagt: „Keine Ahnung warum, aber es fühlt sich irgendwie stimmig an!“
Ehrlich gesagt ist es egal, ob sich Widerstand oder Zustimmung in dir regt – auch dazu hat das Leben bereits JA gesagt.
Natürlich macht es aber einen feinen und entscheidenden Unterschied, denn ein JA zum Leben fühlt sich immer leichter an als ein „Hätte es nicht anders sein können?!“
Und doch passiert es sehr oft, dass wir unbewusst Nein zum Leben sagen und so, wie es sich zeigt, nicht haben wollen. Wir baden im Leid, sind unglücklich und beschweren uns über das Leben, seine Umstände und Gott oder wem auch immer.
Was würde es mit den Menschen machen, wenn sie Folgendes sehen könnten:
„Das Leben spielt sich in einer perfekten Weise selbst, wie wir es niemals selbst machen könnten.“
Ich höre schon den Einwand: „Ja, aber was ist denn an Krieg und Krankheit bitte perfekt?!“
Die Antwort lautet: „Nichts und gleichzeitig Alles!“
Selbstverständlich gehören weder Krieg noch Krankheit zu den Dingen, die wir als Menschen haben möchten – abgesehen von der Waffen- und Pharmaindustrie, die davon lebt. Darauf gehe ich hier aber nicht näher ein.
Krieg und Krankheit spielen sich auf Erden ab, und weil sie offensichtlich existieren, hat etwas im Universum dazu JA gesagt. Genauso wie zu Frieden und Heilung – damit kann man die Menschen nur nicht so gut in Angst halten. Angst macht Menschen steuerbar.
Doch das Leben schließt nichts aus, und es kennt auch kein Nein. Wer Dinge ausschließt und Nein sagt, weil ihm das Leben nicht gefällt, wie es ist, das ist der Mensch!
Das Ich stellt sich meistens in den Weg und zeigt dem Leben, was es nicht haben möchte und wo Verbesserungsvorschläge angebracht sind. Dabei stellt es sich praktisch gegen den Fluss des Lebens, gegen die Natürlichkeit. Das wird aber vom Ich nicht gesehen, da es damit beschäftigt ist, Dinge zu beurteilen, die wegmüssen und zu beklagen, was fehlt.
Das Leben sagt aber immer: So, wie es ist, ist es. In einer absoluten Mühelosigkeit und Natürlichkeit oder ‚Okayness‘, wie ich gerne sage.
Das heißt, wenn das Ich sich dem nicht in den Weg stellt und sich nicht einmischt, spielt sich das Leben in perfekter Weise selbst, wie wir es nie hinbekommen würden.
Doch DAS wird ständig übersehen!
Es ist DAS, WAS IST, das übersehen wird, während die Menschen im Wartebereich sitzen und darauf hoffen, dass ihr Leben endlich besser wird – oder sie sind im permanenten Tun, um noch mehr zu erreichen und um eines Tages endlich anzukommen.
Die schlechte Nachricht ist: Dieser Tag wird nie kommen!
Die gute Nachricht ist: Weil du SCHON DA BIST!
Du bist immer da, wo du nur sein kannst. Mitten im unperfekten, perfekten Leben! Doch das Leben selbst wertet nicht. Es hängt keine Etiketten dran, was gut und was schlecht ist. Das macht nur der menschliche Verstand.
Das Leben kann aber niemals anders sein, als ES IST!
ES IST schon vollständig und genug – in jedem Augenblick unseres Lebens.
Nichts muss hinzugefügt noch weggenommen werden. Mitten in der Unvollkommenheit liegt die Vollkommenheit.
Ein Lottogewinn, eine Spontanheilung oder eine Geburt, ist genauso in sich vollständig wie ein Geldverlust, eine Krankheit oder ein Verlust durch Trennung oder Tod. Das ist es, was wir durch Identifizierung als Person vergessen haben.
Wir glauben zu wissen, was Krankheit ist. Ein Symptom. Ein Feind. Ein Fehler im System. Etwas, was schnell verschwinden muss, damit das Leben „wieder funktioniert“.
Doch was, wenn Krankheit nicht gegen uns arbeitet, sondern für uns und für etwas steht? Was, wenn es nicht der Ruf des Körpers ist, sondern die Stimme einer tiefer liegenden „Entscheidung“?
Der Kurs in Wundern macht eine radikale Aussage:
„Krankheit entsteht, wenn wir eigene Pläne machen – und den göttlichen Plan ablehnen.“
„Autsch!“ Das tut weh. Da haben wir Menschen wohl etwas Grundlegendes missverstanden oder übersehen!?
Krankheit ist keine Strafe! Es ist eher ein innerer Konflikt, der im Laufe des Lebens entstanden ist, weil man sich unbewusst für Trennung entschieden hat – in Trennung zu sich selbst/zum Leben, weil man dachte, es besser zu wissen, wie es laufen sollte, durch mehr Kontrolle, mehr Sicherheit und eigene Pläne.
Wenn diese Pläne nicht dem großen Ganzen entsprechen, dann entsteht Reibung im Leben, und das kann sich wiederrum körperlich zeigen. Der Körper leidet an dem, woran das Ego sich klammert.
Für das große Ganze, den „kosmischen Plan“, kannst du nichts tun. Er geschieht bereits. Das Einzige, was du tun darfst oder kannst, ist, diesen zu bejahen. Es bedarf ein Innehalten, ein Lauschen, ein Nichtwissen – ein radikales Öffnen in das, was ist – ohne Widerstand, ohne Kontrolle.
Das Ego hat oft Angst davor. Angst, loszulassen und sich dem Ungewissen hinzugeben. Angst, die Kontrolle über das Leben zu verlieren. Also spannt es sich an, lehnt sich auf, geht in den Widerstand, strengt sich noch mehr an. Und manchmal wird genau daraus Krankheit.
Dabei funktioniert das Leben ohne ein Ich oftmals viel besser, denn dann kann es ungehindert, mühelos und natürlich fließen.
Wer schon mehr von mir gelesen hat, weiß, dass das nicht bedeutet, dass du zu Hause auf der Couch liegst und wartest, bis das Leben an deiner Tür klingelt. Das darf natürlich auch mal sein, aber das ist nicht damit gemeint, dass es „dich“ nicht braucht. Das Leben wirkt schließlich durch dich als Form (Person).
Es bedeutet, sich dem Leben nicht (mehr) in den Weg zu stellen, sondern mit ihm zu fließen. Das Ruder (wieder ) dem Leben zu überlassen – du hattest es ohnehin nie in der Hand. ; )
*
„Der Weg zu dir selbst ist kein Finden – es ist ein Erinnern.“
(Mooji)
Eine Krankheit ist eine Einladung , sich zu erinnern:
An das, wer du wirklich bist.
An das, was immer schon da war, vor jeder Krankheit.
An den Plan, der keine Angst kennt.
Vielleicht ist Heilung gar nicht das Ziel? Vielleicht ist Heilung ein Nebeneffekt innerer Klarheit oder des Erinnerns?
Das gilt nicht nur für Krankheiten. Jede unangenehme Situation, jede Krise ist eine Einladung, sich zu erinnern, wer wir wirklich sind. Sei es Arbeitslosigkeit, Trennung oder Verlust – jede Erfahrung stellt die Frage: „Wer bin ich ohne diese Umstände?“
Wenn diese Frage beantwortet wird, erübrigen sich alle weiteren Fragen. Der ruhelose Verstand gibt auf, und an die Stelle der Suche tritt Stille. Das, was wir „ankommen“ nennen, ist in Wirklichkeit ein Erkennen. Wir waren nie weg. Wir sind schon zu Hause. Immer. Alles andere, die ganze Geschichte um das Ich, ist eine Illusion. Spätestens der Tod macht dies sichtbar, denn hier enden alle Geschichten. Er nimmt weg, was wir nicht sind und niemals waren.
Vor Kurzem erzählte mir eine Freundin von einem Schweigeretreat in einem buddhistischen Kloster. Sie fühlte sich verloren, da ihr zuvor der Job gekündigt worden war und sie dadurch ihre Identität infrage stellte. Das Wochenende berührte sie zutiefst, und am Ende war etwas anders…
Sie hatte das Ich vor den Toren des Klosters zurückgelassen, und das SEIN nahm seinen Platz ein.
SEIN braucht keine Worte. Es muss nirgendwohin, es muss nicht anders sein, es muss nichts erfüllen, es muss nichts leisten. Es lässt sich nicht begrenzen, es ist frei – frei zu sein, was es ist.
Das ist es, was sich in dem Wort „zuhause“ offenbart. Meine Freundin war nach Hause gekommen – zu sich selbst, in ihrer ursprünglichen Art des Seins.
In Abwesenheit des Ich’s finden wir genau das, wonach wir ein Leben lang suchen. Nur ist uns das als Ich nicht bewusst.
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Wie oft denken wir, dass uns irgendetwas fehlt? So, wie es ist, ist es nie genug. Allerdings ist der Mensch das einzige Lebewesen, das denkt, unvollkommen zu sein.
Eine neue Bewegung kommt ins Spiel, wenn wir anfangen, andere Fragen zu stellen – Fragen außerhalb der Opferhaltung:
„Wozu dient mir die Krankheit/die Arbeitslosigkeit/die Trennung?“
„Warum zeigt sie sich gerade jetzt in meinem Leben?“
„Wer bin ich ohne meinen Job?“
„Wer bin ich ohne meinen Partner?“
Wenn solche Fragen auftauchen, nimmst du die Einladung des Lebens an, es zu erforschen, denn das Leben ist eine einzige Einladung. Jeden Morgen, wenn du die Augen öffnest und sich das Gefäß (Körper) mit Bewusstsein füllt, spricht das Leben zu dir: „Mal sehen, was es heute zu entdecken gibt!“
Unterschiedliche Szenarien erscheinen auf der Oberfläche und verschwinden wieder. Jede Nacht verschwindet die Welt, wenn das Bewusstsein in den Schlafmodus kippt. Kein Bewusstsein mehr, keine Geschichte.
„Wer also bist du ohne deine Geschichte?“
Wenn Erwachen geschieht, gibt es nichts (mehr), auf das wir warten. Es kommt zu einer Erinnerung an ein völlig natürliches Wissen, das uns allen innewohnt. Dieses Wissen wurde lediglich durch die Identifikation mit der Person und ihrer Geschichte verdrängt:
Du musst nichts werden.
Du musst nichts beweisen.
Du bist nie zu spät.
Du hast nichts verpasst.
Du gehst (genau genommen) nicht einmal auf einem Weg.
Du bist bereits zu Hause, bereits angekommen.
Das, wonach wir ein Leben lang gesucht oder gewartet haben, war die ganze Zeit hier, vor unserer Nase. Es ist stets in dem, was erscheint.
Es ist die Einfachheit in den Dingen, die erscheinen… Wäsche zusammenlegen, zur Arbeit fahren, zu einer Beerdigung gehen, auf den Bus warten, sich lieben, den Geschirrspüler ausräumen, das Bett machen, tanzen. All das, was du täglich erlebst, ist es.
Wir suchen allerdings immer im „Anderssein“, im „Andershabenwollen“, weil wir nicht wahrhaben wollen, dass die Einfachheit der Dinge, wie sie im Jetzt erscheinen, schon alles ist! Wir sehen quasi ständig daran vorbei.
Auch die Menschen, die wir um uns haben und in deren Gesichter wir täglich blicken, sind die, die wir gesucht haben.
Wir warten auf das Außergewöhnliche, doch das Außergewöhnliche ist das Gewöhnliche, die Einfachheit. Das möchte ein Ego natürlich nicht akzeptieren, weshalb es sich ständig verirrt und vor sich hinplappert:
„Das kann es ja wohl nicht sein! Das wäre ja viel zu einfach und auch zu langweilig. Da fehlt noch was. Ich suche weiter, bis ich endlich gefunden habe, wonach ich suche und meine Ziele erreicht habe!“
Das ist genau der Grund, warum wir leiden und eines Tages Therapeuten, Schweigeklöster oder andere Hilfen aufsuchen. Irgendetwas scheinen wir zu übersehen…
Genau das fand meine Freundin: in der Einfachheit eines buddhistischen Klosters – die Natürlichkeit des Seins.
DAS, was du in Wirklichkeit bist, hat dich nie verlassen. Du hast es nur nicht wahrgenommen, weil das Außergewöhnliche lauter, attraktiver und aufdringlicher war und du mit Selbstoptimierung beschäftigt warst.
Wenn das Ego jedoch still wird, besteht die Möglichkeit, daraus zu erwachen. Hier enden die anstrengende Suche und das Leiden.
*
Wir versuchen stets, gut, weise, genug zu sein. Welch ein Druck!
Sobald wir uns fragen, warum wir hier sind und was wir hier tun sollen, tragen wir eine Last mit uns herum.
Doch wir sind gar nicht hier, um jemand zu sein. Wir sind hier, um ein Gefäß zu sein. Ein klarer, offener Raum, durch den die Unendlichkeit, die Quelle, Gott, tanzen kann.
Natürlich kannst du Pläne schmieden, wann immer du möchtest, doch lasse sie alle los. Ob sie so eintreten oder nicht, liegt nicht bei dir. Erst wenn wir von unseren Plänen und Vorstellungen loslassen, können wir finden, was zu uns gehört.
Lass auch die Vorstellung los, immer etwas tun zu müssen. Wenn du aufhörst, etwas zum Ausdruck bringen zu wollen, kann das wahre Selbst (Sein) in den Vordergrund treten. Alles geschieht dann auf natürliche Weise.
Vielleicht fühlst du dich gerade unklar und siehst den Weg nicht. Aber Klarheit ist nichts, was du machst! Sie entsteht, wenn du aufhörst, etwas machen zu wollen.
Lass die Dinge aus der Stille entstehen, nicht durch Anstrengung, sondern durch ihre Natürlichkeit, dann erkennst du, dass alle Erfahrungen aus dieser Stille kommen und gehen. Das alles ist bereits genug. Darin bist „du“ eingeschlossen. Du bist bereits genug.
Wenn das Leben dich einlädt, innezuhalten und eine Pause einzulegen, kann sich das wie Leere anfühlen. Der Verstand fürchtet sie und fragt: „Und was jetzt? Was soll ich tun?“ Doch genau diese Stille ist der fruchtbare Boden, auf dem etwas Neues entstehen kann. Leere ist kein Mangel, sondern ein Werden, das dich nicht braucht.
Wenn du loslässt, stirbt ein Teil von dir – der Teil, der dachte das Leben kontrollieren zu können. Alles scheint stillzustehen. Doch es ist nur die Pause zwischen dem, was geendet hat, und dem, was noch nicht begonnen hat. Nichts blüht im selben Moment, in dem es gepflanzt wird. Die Pause ist ein Bestandteil des Ganzen.
Im Raum der Stille erneuert sich das Leben oft und zeigt sich in Form von Einsamkeit, Stille oder sogar Verwirrung. Doch darunter breitet sich ein Feld der Möglichkeiten aus.
Versuche nicht, die Leere zu füllen. Lass sie dich lehren, dass nichts gefüllt werden muss. Vielleicht verspürst du in diesem Zwischenraum (Warteraum) Angst – Angst, dass es nicht mehr weitergeht. Aber die Leere ist nicht das Ende, sondern Wandlung.
Der Verstand denkt, er müsse führen, doch das Leben hat nie deine Anweisungen gebraucht, um zu funktionieren. Es gibt eine tiefere Weisheit, die den Weg immer kannte, auch wenn du ihn verloren glaubtest. Das Leben ist eine Landkarte, die sich erst im Gehen offenbart. Es geht niemals um ein Ziel.
Es geht nur darum, den Schritt zu gehen, der direkt vor dir liegt.
Das Leben ist nichts, das es zu reparieren gilt. Es lebt sich einfach.
Nichts muss sich ändern, damit das Leben vollständig ist.
Nichts, worauf man warten müsste.
Wenn der Verstand aufgibt, fällt alles mühelos und auf natürliche Weise auf seinen Platz.
-oneLove-

